Der Filmclub des VEB Messgerätewerk Zwönitz
Gegründet wurde der Filmclub, zuweilen auch Filmzirkel genannt, vom Drogisten Fritz Besser im Jahre 1960, nachdem bereits vorher ein Fotoklub existierte. Ab 1965 übernahm Werner Zinke die Leitung.
Die 1960-er und frühen 1970-er Jahre waren die Zeit, als sich mancher entschloss, nicht nur zu fotografieren, sondern auch eigene Filme zu drehen. Von den Pentacon-Kamerawerken Dresden gab es inzwischen sehr hochwertige 8mm-Filmkameras – angefangen von der legendären AK8 bis hin zur Pentaflex 8 mit Spiegelreflex-Sucher, Zoom-Objektiv und Tageslicht-Wechselkassetten. Auch für das 16mm-Format gab es mit der Pentaflex 16 eine moderne Filmkamera auf Weltniveau.
Wer das Filmen ernsthaft zum Hobby machte, musste aber auch schon mal einiges investieren. Neben der notwendigen Technik war auch das Filmmaterial nicht billig – für einen 8mm-Farbfilm waren ca. 4 Mark pro Minute Aufnahmezeit einzuplanen, mit den obligatorischen Schnittverlusten waren es netto noch mehr. Nicht nur deshalb war es eine gute Idee, sich mit Gleichgesinnten zusammen zu finden und gemeinsam Spaß am Filmen und Gestalten zu haben. In Klubhäusern und Betrieben entstanden neben vielen anderen Freizeitvereinen auch Filmzirkel, deren Unkosten bereitwillig von den jeweiligen Trägern finanziert wurden. So auch im Zwönitzer Messgerätewerk, wo die technischen Mittel und Materialien von der Betriebsgewerkschaftsleitung aus betrieblichen Fonds für die Förderung des kulturellen Lebens finanziert wurden. Auch geeignete Räumlichkeiten für die Studioarbeit wurden im Klubhaus des Betriebes gefunden. Im Filmclub arbeiteten aber nicht nur Betriebsangehörige des Messgerätewerkes mit.
Alle Arbeiten im Filmclub wurden in der Freizeit geleistet. Begonnen wurde mit ersten Filmen im 8mm-Format. Bald konnte auch eine erste Pentaflex 16 mit Zubehör für die Produktion von 16mm-Filmen und geeignete Vorführtechnik angeschafft werden, wodurch bereits sehr gute technische Bedingungen vorhanden waren, die später noch erweitert werden konnten. So entstanden durch Eigeninitiativen auch weitere technische Hilfsmittel, die es zur damaligen Zeit nicht ohne weiteres zu kaufen gab, z. B. für die synchrone Tonaufnahme und -bearbeitung oder für die Beleuchtung. Auch qualifizierten sich Leiter und Mitglieder autodidaktisch und durch Lehrgänge bei DEFA- bzw. Fernseh-Mitarbeitern ständig weiter.
Mit den vielen Filmen, die in dieser Zeit gedreht wurden, gab es auch ständig Vorführungen zu zahlreichen betrieblichen und städtischen Veranstaltungen. Ob bei Brigadefeier, Bestenempfang, Frauentagsfeier, DSF-Freundschaftstreffen oder Veranstaltungen in Schulen und im Pflegeheim: Wenn der Filmclub Projektor und Leinwand aufstellte, wuchs die Spannung (und nicht nur beim Publikum sondern auch beim Vorführer, ob wohl diesmal alle Klebestellen ohne Panne durchlaufen werden). Manchmal waren die Beiträge auch so aktuell, dass Werner Zinke direkt nach Berlin-Johannisthal zum DEFA-Labor fuhr, um das Material ohne Zeitverlust entwickeln zu lassen.
Weitere Höhepunkte der Clubarbeit waren die Teilnahme an Amateurfilmwettbewerben, die auch zu vielseitigen Kontakten und Erfahrungsaustauschen mit anderen Studios führten. Sogar mit dem Deutschen Fernsehfunk in Berlin-Adlershof, dem Filmstudio im Auer Kulturhaus und dem gut ausgestatteten ZIF-Filmstudio in Karl-Marx-Stadt wurden Kontakte gepflegt. Um einen guten Begleitton zu fertigen, legte man auch schon mal eine Nachtschicht im gut ausgestatteten Tonstudio des Wismut-Krankenhauses in Aue ein. Vieles ging einfach mit gutem Willen von allen Seiten und mit der Freude am Ergebnis, ohne dass man je an eine Bezahlung dachte.
Die Ideen zu den Filmen stammten oft vom Filmclub selbst und wurden in eigener Initiative und mit den nötigen gestalterischen Freiheiten umgesetzt. Auch kritische Satire wurde dabei weitgehend geduldet, wie z. B. im Rahmen verschiedener Filmbeiträge für die Wettbewerbsreihe „Eulenspiegeleien“, die so manches „auf die Schippe“ nahm.
Besonders interessant und wertvoll ist aus heutiger Sicht, dass das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben zu jener Zeit in sehr anschaulicher Weise dokumentiert wurde.
Mit dem Film „Nebenbei gesehen“, der einige Missstände in der Stadt in satirischer Weise aufzeigte, war dann Anfang der 1970er Jahre aber erst einmal Schluss mit den „künstlerischen Freiheiten“ – der Film durfte vorerst nicht mehr aufgeführt werden. Dies mag wohl auch einer der Gründe dafür gewesen sein, dass es anschließend zu einer 10-jährigen Pause kam, in der zwar noch verschiedene Archivaufnahmen entstanden, jedoch keine Filme mehr fertiggestellt wurden.
Im Jahre 1984 übernahm Ulrich Clauß die Leitung und das materielle „Erbe“ des Filmzirkels. Bis zum Ende des Klubhauses im Jahre 1990 entstanden noch einige neue Filme und der vorhandene Bestand wurde aufgearbeitet und wieder vielfach vorgeführt. Danach wurde das Archiv privat weiter gepflegt und gelangt jetzt im Internet-Portal „Zwönitzer Filmarchiv“ nach einer aufwändigen Digitalisierung und der nötigen technischen Nachbearbeitung schrittweise wieder an die Öffentlichkeit.
Mitglieder/Beteiligte:
- vor 1984: Fritz Besser (Leiter bis 1964), Werner Zinke (Leiter ab 1965), Helmut Kümpfel, Harald Schindler, Wolfgang Opp, Manfred Hanisch, Uwe Liedel, Karin Horn (verh. Schurmann), Sigrid Horn (verh. Mauersberger), Inge Bonitz (verh. Becher), Dietmar Weigel
- ab 1984: Ulrich Clauß (Leiter), Dagmar Clauß, Wolfgang Clauß, André Wieruch, Hartmut Clauß
Quellen:
– Uwe Schneider: Chronik der Stadt Zwönitz 1945-1990. 1. Aufl. 2020
– Erinnerungen ehemaliger Mitwirkender: Werner Zinke, Manfred Hanisch, Ulrich Clauß